Incoming Mail aus dem Jahre 1899Auf Reisen Postkarten schreiben ist heute im Zeitalter der Digitalisierung nicht mehr in Mode. Für die Philatelie ist dies natürlich nicht förderlich. Gut, dass es noch alte Postkarten gibt, welche auch nach weit über hundert Jahren so manchen Sammler zum Grübeln bringen. Die Seite mit der Anschrift (Abb. 1) Abb.1: Die Seite mit der Anschrift
Adressiert an Tony Gaisbach in der Arsenalstrasse 11. Ankunft am 5. Mai 99 laut Stempel Luxembourg-Ville. Frankiert wurde die Karte mit zwei französischen Marken zu 5 Cts der Serie „Sage“, welche mit einem Zweikreisstempel LIGNE T PAQ.FR. N°4 Datum 27 AVRIL 99 entwertet wurden. Keine Angabe über den Aufgabeort! (Abb. 1)
Die Bildseite (Abb. 2)
Abb. 2: Die Bildseite
Hier finden sich zwei wichtige Indizien, welche Aufschluss über den Aufgabeort geben können. Einerseits ist da der Vermerk des Absenders « Port Said, à bord de la Ville de la Ciotat [an Bord der Ville de la Ciotat]» anderseits der Poststempel PORT SAID EGYPT vom 27AVRIL99.
Das Schiff (Abb. 3)Wie aus der Bildseite hervorgeht, befand sich unser Absender nicht an Land, sondern an Bord eines Schiffes. Die Ville de la Ciotat war ein französischer Dampfer und erhielt seinen Namen kurz vor dem Stapellauf am 10. April 1892. Es gab drei fast identische Schwesterschiffe: Die ARMAND BEHIC, die AUSTRALIEN und die POLYNESIEN. Die Ville de la Ciotat, mit zwei Schornsteinen ausgestattet, hatte eine von Länge 152m, eine Breite von 15,26 m, ein Eigengewicht von 4200 Tonnen und eine Verdrängung von 10790 Tonnen. Der Motor leistete 7500 KW, die Höchstgeschwindigkeit betrug 17.5 Knoten. In der Ersten Klasse beherbergte das Schiff 172 Passagiere, in der Zweiten 71, in der Dritten 109 und im Zwischendeck verfügte es des Weiteren über 239 Schlafplätze. Das Schiff gehörte der Messageries Maritimes. Es wurde als Postschiff auf der Australien Linie eingesetzt. Die erste Abfahrt nach Australien erfolgte am 3. Dezember 1892. Zwischen 1902 und 1912 fuhr es abwechselnd auch nach Fernost und zwischen 1912 und 1914 auf der Levante Route. Am 24. Dezember 1915 fiel das Schiff vor Kreta einem Torpedo des Unterseebootes U34 zum Opfer.
Abb. 3: Guende phot. Marseille , 212 Messageries Maritimes « Ville de la Ciotat »
Der Leitweg.Um genau heraus zu finden wo unsere Postkarte aufgegeben wurde, müssen wir uns etwas genauer mit der Route der Ville de la Ciotat (Abb. 3.) und den beiden Poststempeln befassen (Abb. 4 u. 5)
Wie schon erwähnt wurde die Ville de la Ciotat (V.d.C) Angangs auf der Australien Route eingesetzt. Die Australien Route erhielt die Bezeichnung „Ligne T“. Der V.d.C wurde der Poststempel mit der N° 4 zugeteilt. Das Schiff verließ am 23. April 1899 den Heimathafen Marseille auf der Route der „Ligne T“ in Richtung Australien. Es passierte Port Said und durchfuhr den Suezkanal nach Aden, machte einen Zwischenstopp in Colombo und fuhr dann weiter in Richtung Fremantle, Adelaide, Melbourne, Sydney bis nach Nouméa und wieder zurück. Der Stempel in Abbildung 4 wurde am 27. April an Bord abgeschlagen. Die Karte wurde am gleichen Tag während des Stopps im Hafen von Port Said dem dortigen französischen Postamt übergeben. Frankreich unterhielt seit Juni 1867 ein Büro in Port Said. Es wurde Ende März 1931 geschlossen. Das Büro hatte selbstverständlich einen eigenen Stempel und verkaufte anfangs auch französische Briefmarken. Unsere Karte erhielt hier den zweiten Stempel (Abb. 5). Man kann davon ausgehen, dass das Büro von Port Said seine Post dem nächstbesten französischen Dampfer welcher auf der Heimreise nach Marseille vorbeikam, übergeben hat. Ab Marseille trat unsere Karte dann ihre Reise mit dem normalen französischen Postvertrieb nach Luxemburg an und wurde hier am 5. Mai in Empfang genommen und abgestempelt. Die Frankierung:Da wir uns auf einem französischen Dampfer befanden, galt französisches Postrecht. Die Sage-Marken hatte unser Absender an Bord gekauft. Die Frankatur zu 10 Cts war der damals gängige Tarif für Postkarten ab Frankreich nach Luxemburg. --------------------------------------------------------- Quellen : La poste maritime française Tome VI, les paquebots de l’océan indien ; Raymond Salle Les tarifs postaux français 1627-1969 ; http://www.messageries-maritimes.org/vciotat.htm http://marcophilie.org/colonnie1.html
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- Geschrieben von: Louise Nilles
- Hauptkategorie: Artikel
- Kategorie: Auf den zweiten Blick
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