Vom Jangeli über den Kibbuz zum Castelvon Dieter Basien
Wenn man mit dem Jangeli, der im Jahr 1882 eingeweihten Schmalspurbahn Luxemburg-Remich fuhr und an der Station Altwies ausstieg, war, wie so oft bei Bahnstationen, die nächste, auch heute noch bestehende Schankwirtschaft gleich in unmittelbarer Nähe. Noch näher ging's nicht, weil in der Wirtschaft, der Station Altwies, auch die Fahrkarten verkauft und gelocht wurden.
Bahnpoststempel dieser Linie
Die kleine Ortschaft Altwies, heute ein Ortsteil der Gemeinde Mondorf-les-Bains, hatte zu dieser Zeit rund 400 Einwohner. Die jenseits der Brücke über den Albaach (französisch Gander) wohnenden Menschen, die zur Gemeinde Mondorff/Lothringen gehörten, gar nicht mitgezählt. Auf das schon vorher erfolgte Wechselspiel seit der endgültigen Grenzziehung im Jahre 1769, das weite Teile des Luxemburger Landes, also auch das Gebiet rechts der Gander, plötzlich zum Ausland machte, möchte ich nicht eingehen. Ab 1871, also nach dem Frieden von Frankfurt, wurde das "Reichsland Elsass-Lothringen" dem deutschen Kaiserreich einverleibt. Am rechten Ufer des Albachs lebten nun plötzlich Deutsche. Nach dem vom Deutschen Reich verlorenem Krieg 1914 - 18 wurde der am rechten Bachufer gelegene Ortsteil Altwies (franz. Altvisse) nun wieder französisch. Das tat der guten Nachbarschaft jedoch wenig Abbruch. Die nächste Schankwirtschaft gab es nur am linken Ufer des Flüsschens. Auch das Kirch-sprengel war vereint; nur in Altwies oder Mondorf gab es Gotteshäuser und Friedhöfe.
Wir überqueren jetzt die Victor Hugo-Brücke; der Name ist zu beiden Seiten in Bronzeplatten eingraviert, und gehen weiter nach Lothringen rein. Das ist heute problemlos möglich. Früher standen hier Zöllner oder die Brücke war gesperrt. Der Teil von Altwies, der auf lothringischem Boden lag, hatte zu dieser Zeit nur etwa sechs Häuser aufzuweisen. Alle standen entlang des Grenzflusses, der Gander. Mit Gander, Altbach, Albaach ist immer derselbe Grenzbach gemeint. Sonderkarte mit Abbildung des Hotels und Sonderstempel zu Victor Hugo
1865 erfolgte der Bau des "Hôtel de Paris" am jenseitigen Bachufer. Der Bau der zum Hotel führenden Grenzbrücke wurde vom gleichen Bauherrn Maurice Kossmann finanziert. Noch heute wird es als "Kossmannshaus" bezeichnet. Der große französische Dichter Victor Hugo hatte im August/September 1871 dort vor Nachstellungen Unterschlupf gesucht. Im Jahre 1890 musste das Hotel wegen Unrentabilität aufgegeben werden. Junges Leben tauchte auf. Hier, an der französisch-luxemburgischen Grenze, wurde im September 1933 eine Hachschara-Siedlung eingerichtet, die offiziell "Institut Hélaloutz" hieß. Bis 1939 war dies eine der Vorbereitungssiedlungen für kommende Kibbuze; es wurde die spätere Gründung des jüdischen Staates in Palästina vorbereitet. Hier wurde jungen geflüchteten Menschen aus Deutschland die Möglichkeit zur Heranbildung von Kibbuz-Pionieren geboten. Bis zu 60 Jugendliche beiderlei Geschlechts erlernten Handwerksberufe, um dann später nach Palästina zu reisen.
Sonderumschlag zur EXPHIMO 1993
Illustration und Sonderstempel zeigen die Kapelle "Le Castel"
Der Weg führt uns in Windungen hinauf zum "Le Castel", der 1736 erbauten Kräizkapell, die auf einem Sonderumschlag und dem Sonderstempel zur nationalen thematischen Ausstellung EXPHIMO '93 in ihrer ganzen Pracht zu sehen ist. Wieder abwärts gehend folgen wir einem steilen Pfad, der vom Castel hinunter zum "Déiwebaach" führt, er wurde 1913 zum Kreuzweg mit sieben Stationsbildern eingerichtet. Die Kapelle ist auch auf einer Sondermarke aus dem Jahre 1979 und dem zugehörigen Sonderstempel zur EXPHIMO zu finden. Marke und Stempel, auf denen auch weitere Sehenswürdigkeiten der Gemeinde zu sehen sind, wurden vom bekannten Lokalhistoriker und Künstler Lé Tanson gestaltet.
Die Kapelle steht auf einem Felsvorsprung hoch über dem Albach; wohl auf dem Areal einer früheren keltischen Fluchtburg. Zahlreiche Funde bei Ausgrabungen in der näheren Umgebung beweisen die frühe Besiedlung des Tals und der umgebenden Höhen.
Ansichtskarte mit Abbildung des "Castel", um 1910 Präsident Fern Rasquin hat mich noch auf ein Interview aufmerksam gemacht, das in der Nummer 328 des "forum", der Zàitschrëft fir Politik, Gesellschaft a Kultur, vom April 2013 eingestellt ist. Das Interview wurde mit Arno J. Mayer, einem amerikanischem Historiker geführt, der 1926 in Luxemburg geboren wurde und am 10. Mai 1940 als Jude mit seiner Familie vor den Nazis geflüchtet ist. In dem Interview ist (übersetzt aus dem Französischen) zu lesen: "Nach 1933 hat er (der Vater des Arno Mayer) zu denen gehört, die den Kibbuz in Altwies (nahe Mondorf) gegründet haben, wo Leute ausgebildet wurden, bevor sie nach Palästina gegangen sind. Im Ganzen wurden dort etwa 120 Personen ausgebildet und haben ihre landwirtschaftliche Lehre abgeschlossen. Es hat sich hauptsächlich um deutsche und österreichische Flüchtlinge gehandelt, jedoch waren auch Mitglieder der jüdischen Gemeinschaft aus Metz und Thionville dabei." Quellen: Lé Tanson >Chronik der "Stadt" und Gemeinde Bad Mondorf, 1981
LW vom 28.10.2010 >Vorbereitungssiedlung in Altwies
(mit Dank an Uwe Kensing für den Hinweis)
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